In Japan nahm am 11. März 2011 eine dreifache Katastrophe ihren Lauf. Nach einem Erdbeben der Stärke 9 folgte ein Tsunami mit zehn Meter hohen Wellen und verwüstete weite Teile der nördlichen Ostküste von Honshu. Aus beiden Ereignissen resultierte schliesslich das Reaktorunglück von Fukushima-Daiichi.
Kettenreaktion im Fokus
Regisseur Julien Balestier geht zu Beginn seiner Dokumentation auf die Dreifachkatastrophe und ihre verheerenden Folgen ein. Die Ausmasse der Reaktorkatastrophe für Menschen und Land sind bis heute unabschätzbar – und die Situation sei auch sieben Jahre später „ausser Kontrolle“. Der Hauptteil des Films fokussiert jedoch auf die Kettenreaktion, die zur Explosion der drei in Betrieb befindlichen Reaktoren führte. Die Kontrolle über die Generatoren war durch totalen Stromausfall unmöglich geworden. Die Einsatzkräfte und Ingenieure vor Ort waren mit bisher nie gekannten Herausforderungen konfrontiert. Um die Temperatur im Reaktorbehälter zu senken, musste schliesslich das Ventil manuell geöffnet werden – doch das Ablassen des Drucks führte erst zu unvermeidlichen Katastrophe – zur Explosion des ersten Reaktors, die beiden anderen folgten zeitlich versetzt.
Kritik an den Sicherheitsstandards fehlt
Anhand von vielfältigen Nachrichtenbildern und Amateurfilmen schneidet der Regisseur eine spannende Dokumentation, die wie ein Krimi aufgebaut ist, und mit Modellstudien sehr anschaulich den Verlauf des Unglücks erklärt. Anwohner, Mitarbeiter des Kernkraftwerks, Experten, Wissenschaftler und Politiker kommen zu Wort. Die Hilfskräfte leisteten über Tage lebensgefährlichen Einsatz, und dennoch verloren Tausende schlagartig ihr Zuhause. Es sind Bilder der Verwüstung, von Leid und Grauen. Doch es scheint, die auch musikalisch sehr dramatische Inszenierung diente auch der Ablenkung von kritischen Fragen. Denn Balestier erwähnt nicht die Ergebnisse neuerer Forschungen von Wissenschaftlern aus der USA und Türkei, denen zufolge das Desaster hätte verhindert werden können. Die Gewalt eines grossen Tsunamis wurde beim Bau der Anlage und später nicht mit einberechnet, galt aber als realistische Bedrohung der Inselgruppe, unter der drei Erdplatten aufeinander stossen. Konstruktionsfehlern zufolge konnte es so erst zum Stromausfall mit den verheerenden Folgen kommen. Der Küstenstandort sei nicht gegen einen Tsunami gesichert gewesen. Auch habe der japanische Energiekonzern Tepco keine Massnahmen unternommen, um die Anlage sicher herunterzufahren, so Costas Synolakis, einer der Autoren der Studie. Der Betreiberfirma wird Fahrlässigkeit in Bau und Betrieb der Anlage seit den Anfängen in den Sechziger Jahren vorgeworfen. In Japan will bis heute niemand die Verantwortung für die Katastrophe übernehmen. Auch diese Dokumentation stellt die kritische Frage nicht.
Links:
"Fukushima: Tagebuch einer Katastrophe" ZDF info