Schweizer Energie-Autarkie ist unrealistisch

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Man kann es drehen und wenden, wie man will: eine autarke Schweizer Energieversorgung in der CO2-neutralen Zukunft ist unrealistisch. Sie scheitert entweder an den Kosten oder der mangelnden Verfügbarkeit von Stromspeichern. Das zeigen Berechnungen des Energieforschungslabors von ETH und EFPL. Das ist kein Weltuntergang. Die Energieversorgung bleibt eine globale Aufgabe auch in Zeiten der Energiewende.

Drei Szenarien hat das Team um Andreas Züttel, Leiter des Energieforschungszentrums der EMPA und der EFPL in Sion im Kanton Wallis, durchgerechnet: Die komplette Elektrifizierung der Energieversorgung, die Umstellung auf synthetischen Wasserstoff oder auf synthetische Treibstoffe. Am niedrigsten ist dabei, wegen der enormen Effizienzgewinne durch Elektrofahrzeuge und Wärmepumpen, der zusätzliche Energiebedarf mit einer elektrifizierten Energieversorgung. Pro Kopf der Bevölkerung sind nur gerade 1000 Watt zusätzlicher Leistung nötig. Doch die Sache hat einen gewichtigen Haken. Einerseits wäre für die Stromproduktion eine Solarfläche von 48 Quadratmetern pro Kopf nötig, in etwa das Dreifache der verfügbaren Dachflächen, anderseits müsste, zum Tag-/Nachtausgleich, für jeden Einwohner eine Speicherbatterie von 26 kWh zur Verfügung zu stehen. Unlösbar ist die Schaffung von neuen Pumpspeicherkraftwerken, um den Sommerstrom für die Winternutzung zu speichern. Gleich dreizehn Stauseen von der Dimension des grössten Speichersees der Schweiz, Grande Dixence, müssten gebaut werdem. Dazu, so Züttel, gibt es schlicht keinen Platz mehr in den Alpen. Nicht betrachtet haben die Forscher in diesem Szenario die Nutzung anderer erneuerbarer Energien, vom Wind bis zur Geothermie, die für einen gewissen Ausgleich sorgen könnten. Das Speicherdilemma bleibt aber erhalten.

Nochmals schwieriger wird es, wenn die Energieversorgung auf Wasserstoff umgestellt würde. Denn durch die Umwandlung des Ökostroms geht ein beträchtlicher Teil der Energie verloren. Die Solarfläche pro Kopf würde deshalb auf 116 Quadratmeter ansteigen, ergänzt durch eine Speicherbatterie von nun 57 Kilowattstunden. Damit könnten dann Fahrzeuge betrieben und Häuser beheizt werden. Für die Energiesicherung im Winter müssten aber Wasserstoffkavernen gebaut werden im Ausmass von 25 Strassentunnels durch den Gotthard. Die Energiekosten pro Kopf würden sich etwa um die Hälfte auf 4'400 Franken erhöhen. Gar 9'600 Franken pro Kopf würde die Umstellung auf synthetische Treibstoffe verschlingen. Dazu müssten nicht weniger als 4,5 Prozent der Schweizer Landesfläche mit Solarzellen zugedeckt werden – das Zwölffache der heutigen Dachfläche. Damit liessen sich dann auch die 1'770 Liter Flugbenzin, die heute pro Kopf und Jahr benötigt werden, herstellen.

Die Modellrechnung zeigt: Am meisten Sinn macht aus ökonomischer Sicht eine komplette Elektrifizierung. In der Realität dürfte es, angesichts der unterschiedlichen Anforderungen, eine Mischform sein. Was aber keine Geiss wegschleckt: eine autarke Energieversorgung ist angesichts des nahezu unlösbaren Speicherproblems eine Illusion. Und, gibt Andreas Züttel zu bedenken, es müsse auch an die Kosten gedacht werden. Langfristig habe sich gezeigt, dass für das wirtschaftliche Gedeihen Kilowattstundenpreise von maximal 40 Rappen – in etwa das Doppelte des heutigen Preisniveaus – verkraftbar seien. Eine energieautarke, CO2-neutrale Schweiz wird vor diesem Hintergrund zur Illusion. Doch das ist nichts Neues in der Geschichte. Bezogen auf den gesamten Energiebedarf, ist die Schweiz heute zu rund 80 Prozent auf importierte Energie, namentlich Erdöl und Erdgas, aber auch Uran, angewiesen. Soviel wird es, wenn die Energiestrategie 2050 konsequent umgesetzt wird, mit Sicherheit nicht mehr sein. Aber es dürfte sich kaum rechnen, etwa Wasserstoff oder synthetische Treibstoffe im Inland zu produzieren. Das ist in den sonnenreichen Staaten der Welt wesentlich günstiger zu haben.

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