Beznau I darf wieder ans Netz

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Beznau I, der älteste Atomreaktor der Welt, darf nach drei Jahren Stillstand wieder ans Netz. Das Eidgenössische Nuklearsicherheitsinspektorat ENSI hat den von der Betreiberfirma Axpo verlangten Sicherheitsnachweis für den Reaktordruckbehälter akzeptiert. Umweltverbände protestieren.

«Mit dem Nachweis hat das Kernkraftwerk Beznau internationale Standards gesetzt», schreibt die Betreiberfirma Axpo Schweiz in einer Medienmitteilung. Das klingt, wie wenn das mehreren Ostschweizer Kantonen gehörende Unternehmen aus eigenem Antrieb gehandelt hätte. Doch es war genau umgekehrt. Das Eidgenössische Nuklearsicherheitsinspektorat ENSI hatte vor drei Jahren von der Axpo einen Sicherheitsnachweis für den Reaktordruckbehälter verlangt, nachdem bei einer Überprüfung mittels Ultraschall Hunderte von Materialfehlern entdeckt worden waren. Niemand konnte zu diesem Zeitpunkt sagen, ob diese Fehler eine Folge des sich unter Einwirkung starker Strahlung versprödenden Stahls waren oder ob diese schon beim Schmieden des 17 Zentimeter dicken Druckbehälters entstanden waren.

"Sicherheitsnachweis kann akzeptiert werden."
Ähnliche Befunde waren im August 2012 zuvor im belgischen AKW Doel 3 festgestellt worden. Das Kraftwerk wurde nach mehreren Abschaltungen und Sicherheitsüberprüfungen schliesslich im November 2015 wieder dauerhaft angefahren. Seither kam es zu zwei weiteren Notabschaltungen. Im Falle von Beznau I gab sich das ENSI mit dem im November 2016 eingereichten Sicherheitsnachweis auf Basis von Versuchen an einem Nachbau nicht zufrieden, es verlangte weitere Materialprüfungen und Berichte und liess die Ergebnisse von einer internationalen Expertenkommission überprüfen. Diese ist nun zum Schluss gekommen, «dass der Sicherheitsnachweis akzeptiert werden kann», wie der Materialwissenschaftler und Experte für Reaktorkernmaterialien, Tim Williams, in einem auf der Webseite des ENSI veröffentlichten Interview erklärte. Es handle sich bei den Materialfehlern eindeutig umd Aluminiumoxid-Einschlüsse, wie sie mit der damaligen Giessereitechnik üblich gewesen sein. Tests an einer Replika hätten gezeigt, dass davon keine negativen Einflüsse auf die Strukturintegrität oder Versprödung des Reaktordruckbehälters festzustellen seien. Diese Tests seien «nach einschlägigen nationalen und internationalen Standards» durchgeführt worden. In der französischen Giesserei, die die Stahlringe des Reaktordruckbehälters herstellte, seien die Alumuniumoxid-Einschlüsse damals nach dem Giessen weggeschnitten worden, heisst es in der ENSI-Medienmitteilung weiter. Vermutlich sei bei dem betroffenen Ring «zu wenig des mit Aluminiumoxid verunreinigten Stahls» entfernt worden.



Der Reaktordruckbehälter beim Einbau 1965 (Bild: Axpo)

Weiterbetrieb gesichert
Der Axpo bleibt mit diesem Entscheid der wirtschaftliche GAU erspart: die endgültige Abschaltung von Beznau I. Schon die dreijährige Stillegung hat Verluste von über 300 Millionen Franken verursacht, und die 700 Millionen, die in den Jahren zuvor für die Nachrüstung investiert worden waren, dürften auch noch nicht abgeschrieben sein. Nun wird Beznau, der mit bald 49 Dienstjahren älteste Reaktor der Welt, noch mindestens weitere elf Jahre, bis er 60 Jahre gelaufen sein wird, betrieben werden. Und es könnten noch mehr werden. Denn in der Schweiz gilt die Regel, dass AKW’s solange betrieben werden dürfen, als dass sie als sicher gelten. Ob diese gewährleistet ists, darüber befindet abschliessend das ENSI. Block I wird nach Angaben der Axpo Ende März wieder auf Volllast sein, um, wie das Unternehmen schreibt, «einen wertvollen Beitrag zur einheimischen Energieproduktion und zur Versorgungssicherheit der Schweiz zu leisten.»

"Abschreiben und Abschalten"
Ganz anders sieht die atomkritische Schweizer Energiestiftung SES die Lage. Sie spricht von einem «schwarzen Tag der Sicherheit». Denn «trotz einer in vielerlei Hinsicht technisch stark veralteten Anlage, trotz mutmasslichen Verstosses gegen die Strahlenschutzbestimmungen – und nun auch trotz eines mangelhaften Reaktordruckbehälters» habe das ENSI grünes Licht gegeben. Der Weiterbetrieb komme «einer weiteren Abnahme der Sicherheitsmarge gleich». Zudem sei die Entscheidungsfindung intransparent, weil die Beurteilung durch die externen Fachspezialisten nicht veröffentlicht worden sei. Die SES verlangt, Beznau I sei «endlich abzuschreiben und stillzulegen». Rechtliche Schritte würden geprüft.

Hintergrundmaterial des ENSI

Medienmitteilung der Axpo

Stellungnahme SES

 

Kernschmelze

  • Kernschmelze

    Nach dem Abschalten eines atomaren Reaktors wird zwar die Kernspaltung unterbunden, aber der radioaktive Zerfall der bei der Kernspaltung entstandenen Spaltprodukte dauert an. Nach einer Stunde macht dies noch etwa ein Prozent der thermischen Leistung des Reaktors aus. Im Falle des Schweizer Atomkraftwerks Mühleberg sind das 36 Megawatt, und auch nach zehn Tagen hat die sogenannte Nachzerfallswärme noch eine Leistung von über 7 Megawatt. Das entspricht 3600 Heizlüftern mit einer Leistung von 2 Kilowatt – die in einem Raum von der Größe eines Schlafzimmers aufgestellt sind. Knapp zehn Tonnen Wasser verdampfen bei dieser Leistung – pro Stunde. Dieses Kühlmittel muss deshalb auch nach dem Abschalten noch für längere Zeit kontinuierlich dem Reaktorkern zugeführt werden. Wird diese Kühlung unterbrochen, droht die Kernschmelze. Ist sämtliches Kühlwasser verdampft, beginnen sich die Brennelemente sehr schnell aufzuheizen. Nach einigen Stunden schmilzt der Brennstoff, der Reaktorkern ist zerstört. Dabei kann hochradioaktives Material entweichen und Mensch und Umwelt gefährden. Ein solcher Unfall wird als Super-GAU bezeichnet.

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Vor dem Hintergrund der aktuellen „Energiewende“-Debatten möchten wir einen kritischen Diskussionsbeitrag leisten für all jene, die mehr wissen wollen zum Thema Energie. Und wir möchten einen Beitrag leisten, die tiefen ideologischen Gräben zu überwinden, die Befürworter und Gegner trennen. Denn die Wahrheit wird bei diesem Thema sehr schnell relativ bzw. relativiert, man bewegt sich auf einem Feld, in dem sich Experten, Meinungsmacherinnern, Ideologen, Betroffene, Opfer, Lobbyisten, Politikerinnen und Weltenretter tummeln. Sie alle sollen zu Wort kommen, sie sollen von ihrer Wahrheit erzählen, der Wahrheit des Strahlenopfers ebenso wie jener des Kraftwerkbetreibers, des Befürworters und der Gegnerin.

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