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Kein Licht im Tunnel

geschrieben von  Martin Arnold

Es war der grosse Hoffnungsträger der Atomindustrie um die Jahrtausendwende. Mit dem neuen Kernkraftwerk Olkiluoto in Finnland soll dank mehr Sicherheit der Befreiungsschlag des kriselnden Wirtschaftszweiges gelingen. Es sieht nicht danach aus.


Das Disneyland für Atomfreaks: Olkiluoto bietet vom Atomreaktor über das Zwischenlager bis zum Endlager alles, was Anhänger dieser Energie interessieren könnte. Das Zwischenlager für schwach- und mittelradioaktive Abfälle vermittelt eine Ahnung über die Dimensionen eines künftigen Endlagers. Die weniger gefährlichen schwach- und mittelradioaktiven Abfälle werden zuerst in eine riesige unterirdische Halle gefahren. Dort lagern sie in grossen Silos, die einzelnen Behälter aufeinander gestapelt. Von oben wirken die blanken Oberflächen der Behälter wie die sterile Umgebung eines Operationssaales. »Wir müssen natürlich sauber arbeiten. Es darf keine Radioaktivität heraustreten«, erklärt Käthe Sarparanta, verantwortlich für Öffentlichkeitsarbeit beim Kernkraftwerkbetreiber Teollisuuden Voima Oyj (TVO). Ihre Werbebroschüre trägt den schmeichlerischen Titel: „Wellbeing with Nuclear Eletricity“. Das würden die Erbauer des neuen Kernkraftwerkes Olkiluoto-3, einem Reaktor der so genannten 3. Generation, auch gerne bestätigen. Stattdessen müssen sie von einem Rohrkrepierer sprechen. Es ist deshalb gut möglich, dass die Industrie keine Atomkraftwerke mehr bauen will. Zu komplex sind diese babylonischen Bauvorhaben. Das erleben der französische Industriekonzern Areva und Siemens, die gemeinsam Olkiluoto-3 bauen, aber weder den Zeitrahmen noch die Kosten im Griff haben. Eine Reaktion darauf sind sicher die Massenentlassungen, die Areva im Mai 2015 bekannt gab. Bis heute ist nicht klar, wann das Kernkraftwerk in Betrieb gehen kann. Der Deal ist für Finnland, gut, denn die Erbauer erklärten sich bereit, ein schlüsselfertiges Kernkraftwerk bis spätestens 2011 zum Preis von drei Milliarden Euro zu bauen. Inzwischen soll die Anlage frühestens Ende 2018 in Betrieb gehen und bis dann zwischen neun und elf Milliarden Euro verschlungen haben. Das finnische Energiekonzept sieht mehr Kernenergie vor, um die kohlenstoffhaltigen Energieträger zu ersetzen. Doch wie? Es gibt zwar das Projekt des vierten Kernkraftwerks am Standort Olkiluoto für das nun aber keine Investoren gefunden werden. Auch eine russische Beteiligung ist ausser Rang und Traktanden gefallen – nicht zuletzt wegen der aktuellen politischen Spannungen. Finnland ist aber auch so von Stromlieferungen aus Russland abhängig. Das schwieriger gewordene politische Umfeld stärkt bei den Finnen das Bedürfnis, bei der Energieversorgung unabhängiger zu werden.

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