Am Schluss waren, mit Ausnahme der rechtsextremen FPÖ, die sich darin gefiel, noch nicht einmal in die politische Debatte einzugreifen, alle zufrieden. Das Erneuerbaren – Ausbau – Gesetz hatte mit der Mehrheit aller anderen politischen Kräfte im Nationalrat eine breite Zustimmung erhalten – keine Selbstverständlichkeit in einem von Polarisierung der politischen Kräfte geprägten Land. Die Zustimmung des Bundesrates, der Vertretung der Bundesländer, gilt als reine Formsache. Es ist tatsächlich, nach der schon jahrzehntelangen Verschleppung griffiger Klimamassnahmen, ein grosser Wurf, der im wesentlichen der grünen Umweltministerin Leonore Gewessler zuzuschreiben ist, die es als ehemalige Umweltaktivistin verstand, den überwiegenden Teil ihrer Forderungen ins Gesetz zu bringen, darunter die wichtigste: 100 Prozent grünen Strom aus eigener Produktion bis 2030. Zwar sind schon heute vier von fünf Kilowattstunden erneuerbar, doch wegen der starken saisonalen Schwankungen gelingt es nur während elf Wochen, den Bedarf ausschliesslich aus erneuerbaren Quellen zu denken, hauptsächlich Wasserkraft, während die «neuen erneuerbaren» Wind und Sonne noch immer eine vergleichsweise geringe Rolle spielen. Deshalb ist das Ziel auch so ambitioniert, um vor allem im Winter, wenn bis zur Hälfte des Stroms aus Gas oder Kohle gewonnen wird oder importiert werden muss, komplett auf erneuerbare Quellen zu setzen. Das sind Aufgaben, die Ländern wie der Schweiz, die noch fast einen Drittel ihres Stromes aus Atomenergie gewinnt, noch einiges mehr an Kopfzerbrechen bereiten werden. Das österreichische Modell ist durchaus ein grosser Wurf, weil es zum einen konkrete Ziele setzt, zum andern Wege aufsetzt, um diese auch zu erreichen. Konkret heisst das: 27 Millionen Terrawattstunden aus zwei Millionen zusätzlichen Solarpanelen auf Hausdächern und überall, wo kein wertvolles Land dafür verbraucht wird, zu bauen, des weiteren 1000 Windräder, Biomasse-Kraftwerke und Fernwärmeanlagen zu gewinnen. Das entspricht etwa zwei Jahresverbräuchen in Österreich. Und das bedeutet etwa bei der Photovoltaik eine Verachtfachung der Produktion mit bis zu 60'000 zusätzlichen Jobs, beim Wind soll die Produktion von 6,3 auf 16,3 Terrawattstunden gesteigert werden. Wasserkraft soll um 5 Terrawattstunden auf 46,3 gesteigert werden, was 2030 noch immer knapp 60 Prozent der Gesamtproduktion von 81 Terrawattstunden ausmachen wird.
Die Kosten werden auf über 40 Milliarden Euro veranschlagt. In etwa ein Viertel dieses Geldes kommt aus der Staatskasse. Jährlich eine Milliarde an Unterstützungsleistungen sind vorgesehen, wobei der Hauptteil in sogenannten Marktprämien, die die Differenz zwischen dem Marktpreis und den Gestehungskosten ausgleichen sollen, besteht. Dazu kommen Investitionszuschüsse. Finanziert werden sollen diese Beiträge teilweise durch Ökoumlagen, auf die Haushalte kommen zusätzliche Ausgaben von jährlich 115 Euro zu, wobei rund 550'000 ärmere Haushalte davon ausgenommen sind. Viel erwartet sich Gewessler von Energiegemeinschaften, die nun gesetzlich zugelassen sind. Sie sollen den grossen Widerstand sowohl gegenüber Netzausbauprojekten als auch lokalen Energiegewinnungsanlagen brechen, weil Bürgerinnen und Bürger durch ihre direkte Beteiligung sich eher angesprochen fühlen sollen. Ausgemacht ist das aber noch lange nicht, ebensowenig, ob die Bundesländer, die nun aufgerufen sind, auf den regionalen Bühnen rasch und nachhaltig den Ausbau der erneuerbaren Energien in Gang zu bringen, da mittun werden. Leonore Gewessler wich in einem Fernsehinterview allen diesbezüglichen Fragen aus und setzte stattdessen auf vorbereitete Worthülsen, die im Grund kaum mehr waren als Appelle an alle Beteiligten, nun, da ein gesetzlicher Rahmen vorliegt, Ernst zu machen. Das Echo aus der Energiewirtschaft, politischen Parteien und Interessensvertretern lässt aber hoffen, dass dem tatsächlich so sein könnte. Es überwiegt das grosse Lob und die Botschaft: Packen wir’s an.