EU-Kommission will Atomenergie und Erdgas als nachhaltig einstufen

Während in Deutschland zum Jahresende 2021 weitere drei Atomkraftwerke stillgelegt worden sind, fürchtet Frankreich die grosse Winterstromlücke, nachdem mehrere AKW nach Pannen ausserplanmässig abgeschaltet werden mussten. Derweil plant die EU-Kommission, sowohl Atomenergie als auch Erdgas als Übergangstechnologien der Energiewende in eine für nachhaltige Investments relevante Liste aufzunehmen. Deutschland und Frankreich haben aus sehr unterschiedlichen Motiven grosses Interesse daran.

28 Jahre verbleiben in der Europäischen Union noch, um die Energiewende mit dem grossen Ziel, bis spätestens 2050 CO2-neutral zu leben, zu schaffen. Dabei ist klar, dass es noch ganz erheblich verstärkte Anstrengungen braucht, um dieses Ziel nicht in kurzer Frist aus den Augen zu verlieren. Bis 2030 müssen die entscheidenden Weichen gestellt sein. Es zeichnet sich ab, dass namentlich die beiden grössten CO2-Emittenten Deutschland und Frankreich dieses Ziel nicht schaffen werden, wenn sie ausschliesslich auf erneuerbare Energien setzen. Aber auch nach wie vor sehr stark von Kohle abhängige Länder wie Polen sind meilenweit davon entfernt. Da rückt der Gedanke in den Vordergrund, zumindest übergangsweise Energieträger wie Atomkraft oder Erdgas zuzulassen, hinter deren Nachhaltigkeit und Klimafreundlichkeit etwa die «Principles for Responsible Investment» der Vereinten Nationen ein grosses Fragezeichen setzen. Denkbar wären danach allenfalls befristete Ausnahmeregelungen unter hohen Umweltauflagen.

Nun schlägt die EU-Kommission in einem am Silvesterabend an die Mitgliedstaaten verteilten, der Nachrichtenagentur AFP zugespielten Entwurf vor, sowohl Atomkraft als auch Erdgas in die Taxonomieverordnung aufzunehmen, das ist im wesentlichen eine Liste umweltfreundlicher Energieträger, die als nachhaltige Investitionen empfohlen werden. Sie machte damit gleich ein doppeltes Zugeständnis an jene Staaten, die glauben, darauf angewiesen zu sein. Frankreich und in dessen Gefolge elf weitere Mitgliedsstaaten setzen dabei auf Atomenergie, Deutschland und atomkraftwerkfreie Länder wie Österreich oder Italien auf Erdgas. Im Koalitionsvertrag der neuen deutsche Regierung wird ausdrücklich erwähnt, dass Erdgas-Kombi-Kraftwerke als Ersatz für die bis 2030 auslaufende Kohle nötig werden könnten. Der Kommissionsvorschlag macht einige Vorbehalte. So sollen Erdgaskraftwerke nur bis 2035 genehmigt werden dürfen. Diese müssen Anlagen mit schlechtere Klimabilanz ersetzen, zudem müssen sie zumindest die Option haben, dass CO2 im Erdinnern gelagert werden kann, und auch deren CO2-Ausstoss muss stark gesenkt werden. Atomkraftwerke müssen den neuesten technischen Standards entsprechen, die Baugenehmigung muss vor 2045 erfolgen, und bis 2050 muss eine Lösung für die Endlagerung der hoch radioaktiven Abfälle vorgelegt werden. Damit wäre den Interessen beider Ländergruppen gedient.

Die Mitgliedsstaaten sind im Konsultationsprozess, der bis 12. Januar dauert, zur Stellungnahme eingeladen. Doch es ist nicht damit zu rechnen, dass es zu grossen Veränderungen kommen wird. Eine Umsetzung kann nach dem Entscheid der EU-Kommission nur noch von einer qualifizierten Mehrheit der Mitgliedsstaaten (20 Länder ober mehr als 65 Prozent der Bevölkerung) oder von einer Mehrheit des EU-Parlaments verhindert werden. Mit beidem ist nicht zu rechnen. Zu gross ist die Interessens-Koalition der Erdgas- und Atomabhängigen.

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