Wolfgang Weiss, Physiker, UNSCEAR, Deutschland
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- Geschrieben von Urs Fitze
«Jede Strahlung kann Krebs auslösen»
Wolfgang Weiss ist Mitglied des Wissenschaftlichen Ausschusses der Vereinten Nationen zur Untersuchung der Auswirkungen der atomaren Strahlung (UNSCEAR), in den Jahren 2011 und 2012 war er dessen Vorsitzender. Bis zu seiner Pensionierung 2014 war der Physiker Leiter des Fachbereichs »Strahlenschutz und Gesundheit« im deutschen Bundesamt für Strahlenschutz.
»Es gibt keine Schwelle, die man übertreten muss, um in den Gefahrenbereich radioaktiver Strahlung zu gelangen. Das heißt: Jede noch so geringe Strahlung kann Krebs auslösen. Doch auch wenn wir davon ausgehen müssen, schaffen wir es nicht, den Nachweis zu erbringen, dass eine solche Krankheit mit einer niedrigen künstlichen Strahlenbelastung, die jemand in seinem Leben erhalten hat, zu tun hat. Es gibt eine natürliche Hintergrundstrahlung, der wir alle ausgesetzt sind. Diese Strahlung kann mal mehr, mal weniger hoch sein. Kommt nun eine künstliche Strahlenquelle hinzu, beispielsweise als Folge eines atomaren Unfalls, erhöht sich das Risiko, an Krebs zu erkranken. Doch erst wenn diese Strahlung einen bestimmten Pegel überschreitet, können wir dieses Risiko auch tatsächlich in Form von gestiegenen Fallzahlen messen. Darunter verschwindet es im statistischen Rauschen. Das bedeutet, wir können keine gesicherten Aussagen mehr darüber machen, ob ein Zusammenhang tatsächlich auch besteht. In Fukushima hat mich eine junge Mutter gefragt, ob es zu gefährlich für ihr Kleinkind sei, in diesem wieder für bewohnbar erklärten Gebiet zu leben. Sie plante, in einen anderen Landesteil umzuziehen. Dort ist die natürliche Hintergrundstrahlung höher als in Fukushima nach dem Super-GAU und damit auch das Risiko größer, an Krebs zu erkranken. Ich konnte der Frau also aus statistischer Sicht nur raten zu bleiben, wenn es ihr um das Krebsrisiko ihres Kindes ginge. Doch das greift natürlich zu kurz. Vielmehr wird es darum gehen, den Menschen zu erklären, wie sie mit diesen Risiken umgehen sollen. Das kann etwa bedeuten, keine Pilze zu essen oder sich nicht in bestimmten Gebieten aufzuhalten.«
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