Paul Bossart, Erdwissenschaftler, Schweiz

«Es geht um Glaubwürdigkeit und Transparenz in der Endlagerung.»

Paul Bossart studierte Erdwissenschaften an der ETH Zürich mit der Promotion in Strukturgeologie. Ab 1989 Forschungsarbeiten in verschiedenen Felslabors (Schweiz: Grimsel, Japan: Kamaishi, Schweden: Äspö). 1996 Aufbau des Mont Terri Felslabors. Ab 2006 Direktor des Felslabors, welches von swisstopo betrieben wird.

»Im Berg fühle ich mich in meinem Element. Deshalb habe ich Geologie studiert. Mich fasziniert die Dynamik, die die Erde vollbringt, über riesige Zeiträume Kontinente zu verschieben, Gebirge aufzubauen und Ebenen zu schleifen. Auch meine Dissertation widmete ich diesem Thema, nämlich der Frage, weshalb das Himalaya-Gebirge in Pakistan seine Ost-West-Richtung nach Norden und Süden ändert. Dies hat mit dem Druck der Kontinentalplatten gegeneinander zu tun. Nach meiner Promotion an der ETH Zürich arbeitete ich in der Privatwirtschaft. Dort durfte ich das Felslabor Mont Terri im Kanton Jura aufbauen. Fünf Jahre zuvor war ich in einem Projekt im Felslabor Grimsel involviert und lernte dabei auch die Nationale Genossenschaft für die Lagerung radioaktiver Abfälle (Nagra) und ihre Arbeit kennen. Zu dieser Zeit galt Granit als ideales Einschlussmedium für radioaktive Abfälle. Die ersten Sondierungsbohrungen in der Nordschweiz hatten den Zweck, das ideale Terrain für die Endlagerung zu sondieren. Auch die Skandinavier und Japaner forschten im Granit. Anfang der 1990er-Jahre arbeitete ich in einem entsprechenden Felslabor im Norden Japans und zwischen 1993 und 1995 in Äspö in Schweden. In dieser Zeit untersuchten belgische Geologen aber bereits einen Ton auf seine Eignung als Einschlussmedium, den sogenannten Boom Clay – mit ermutigenden Resultaten.

Im Unterschied zu anderen Ländern ist der Untergrund in der Schweiz jung, lebhaft im Sinne von bewegungsaktiv, vielschichtig und vielgesteinig. Gerade deswegen wurden mehrere mögliche Gesteinsarten auf ihre Eignung als Einschlussmedium untersucht. So auch der Opalinuston. Die Nagra hielt auch noch am Granit fest, als immer mehr Schweizer Geologieexperten Untersuchungen in undurchlässigen Sedimentgesteinen für die Lagerung der hochaktiven Abfälle forderten. Im Gegensatz zu Granit gibt es im Opalinuston viel weniger Schwierigkeiten mit Wasser, weil das Wasser dort nicht fließen kann und daher eingeschlossen, also stagnant ist. Dies ist bei einer Langzeitlagerung ein entscheidender Vorteil, denn eingeschlossene Radionuklide im Ton können nicht mit Wasser in die Biosphäre transportiert werden. Am Mont Terri bestand wegen des Autobahnbaus ein horizontaler Stollen ins Berginnere, wo eine Schicht des potenziellen Wirtsgesteins zur Erforschung bereitlag. Es existierten also optimale Voraussetzungen für ein Labor. Die Lagerung von radioaktiven Abfällen kommt hier jedoch nicht infrage.

Für den Standortkanton Jura stand von Anfang an fest, dass die Leitung nicht in die Hände der Nagra gelegt werden darf. Der Bund musste wohl oder übel die Verantwortung im Felslabor Mont Terri übernehmen. Die verantwortliche Behörde war zuerst das Bundesamt für Wasser und Geologie und dann swisstopo, bei der ich arbeite. Swisstopo betreibt das Labor seit 2006 mit eigenem Personal. Es entwickelt sich rasant. 44 Experimente sind in Arbeit, weitere sind geplant – genauso wie die Erweiterung des ganzen Felslabors. Denn immer mehr Länder mit Tonschichten prüfen die Möglichkeit, Ton als Einschlussmedium zu verwenden. Als Leiter bringe ich mich aktiv in die Experimentplanung ein und habe mit unserem Team auch die Möglichkeit, eigene Experimente durchzuführen. Bei einer Frage von solcher Tragweite wie die der Endlagerung von hochradioaktiven Abfällen müssen wir versuchen, jede Hypothese zu widerlegen – bis feststeht, dass sie den Tatsachen entspricht. Wir dürfen uns keine Fehler leisten, müssen jede Schwäche im Endlagerkonzept aufdecken und bis zum letzten Punkt glaubwürdig und transparent sein. Nur dann besteht die Chance, die Bevölkerung jener Gegend, wo das Tiefenlager entstehen soll, von einer Zustimmung zu überzeugen.«

zum Weiterlesen:

Ringen um Vertrauen

 

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