Die Erderwärmung schreitet voran, in der Weltpolitik bahnt sich eine neue Eiszeit an. Die schwelenden Konflikte um den INF-Abrüstungsvertrag von 1987 zwischen den USA und Russland signalisieren, dass die Zeichen der Zeit auf Abschottung und Abschreckung stehen.
Misstrauen zwischen USA und Russland
Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg schloss unlängst eine atomare Nachrüstung Europas nicht mehr aus, wenn Russland seinen neuen Marschflugkörper nicht vernichte. Atomwaffengegner wie die ärztliche Friedensorganisation IPPNW kritisieren Stoltenbergs fehlende Gesprächsbereitschaft, das Scheitern des Vertrags könne zu erneutem Wettrüsten führen. Der amerikanische Präsident Trump drohte, zu Februar aus dem Vertrag auszusteigen, weil Russland ihn gebrochen habe. Russland wiederum wirft den USA Vertragsbruch vor. Keiner traut dem andern, das Freund-Feindbild ist wieder erstarkt. Es müssen wieder Waffen geschmiedet werden, und werden längst geschmiedet. Seit 2007 schon verdächtigen sich beide Atommächte gegenseitig. 2014 warf Obamas Regierung Putin Vertragsverstoss vor mit dem neu entwickelten Marschflugkörper 9M729. Russland wiederum betrachtet das von den USA, mithilfe der NATO, unterstützte Raketenabwehrsystem, stationiert in Rumänien und in Polen, als Verletzung des Abkommen. Eine in Planung befindliche landgestützte Mittelstreckenrakte der USA befeuert den Streit weiter. Kritiker fürchten die Zunahme sogenannter Mini-Nukes in den USA, Nuklearwaffen mit geringerer Sprengkraft, senkten die Schwelle für den Einsatz dieser Waffen.
Rückkehr eines Kalten Krieges möglich
Ein Teufelskreis gegenseitiger Bedrohung - die Parallelen zum Kalten Krieg liegen auf der Hand. Werfen wir einen Blick zurück in die 1980er Jahre: Westmächte und Ostblockstaaten lieferten sich ein Wettrüsten. West-wie Osteuropa waren gespickt mit Raketen. Erst der INF-Vertrag zwischen Michail Gorbatschow und Ronald Reagan 1987 brachte Tauwetter. Vereinbart wurden nicht nur tiefere Obergrenzen für die jeweiligen Waffensysteme, sondern die vollständige Verschrottung und das Verbot von landgestützten Raketen mit kurzer bis mittlerer Reichweite. Gleichzeitig schuf das Abkommen die Basis für weitere Abrüstungsverträge. Der atomaren Abgrund war abgewendet – für mehr als drei Jahrzehnte. Nun öffnet er sich wieder. Doch die deutsche Bundesregierung weigert sich, dem UNO-Abkommen zum Verbot von Atomwaffen aus 2017 beizutreten, man will sich die nukleare Teilhabe offenhalten. Die Stimmen für eine Europäische Militärunion mehren sich seit Trump die NATO für „obsolet“ erklärte. Deutschland könnte so in einer europäischen Option über französische und britische Atomwaffenarsenale mitverfügen. Auch Stimmen, die über eine Atommacht Deutschland spekulieren, gibt es.
Spirale der Angst schraubt sich höher
Auch der Schweizer Bundesrat unterzeichnete den Atomwaffenverbotsvertrag im August 2018 nicht. Ein Beitritt sei ein sicherheitspolitisches Risiko, bei einem künftigen Konflikt, setze man auf die Verteidigung durch Atomwaffen der NATO. Was das über die Neutralität der Eidgenossen aussagt, sei einmal dahingestellt. Deutsche und Schweizer Verweigerung symbolisieren: Atommächte üben wirtschaftlichen und politischen Druck aus, damit der Atomwaffenverbotsvertrag nicht unterzeichnet und schon gar nicht ratifiziert werde – und haben Erfolg damit. Das Schreckgespenst ist wieder in der Welt. Ein Spruch der Friedensbewegung in den Achtziger Jahren lautete „Stell Dir vor, es gibt Krieg und keiner geht hin“. Es war eine Aufforderung aus der Spirale der Angst auszusteigen. Sich dem Druck zu beugen, löst das Problem nicht, sondern zementiert es. Doch Deutschland will Kampfbomber anschaffen, die mit atomaren Sprengköpfen bestückt werden können. Friedensorganisationen wie ICAN, die Internationale Kampagne für die Abschaffung atomarer Waffen, mahnen. Derweil sucht Aussenminister Heiko Maas den Dialog mit Russland und den USA, und hofft, den INF-Vertrag noch zu retten – mit erhobenem Zeigefinger. Russland müsse seinen Marschflugkörper zuerst vernichten.
Die Gebärde der Abschreckung zeigt wieder ihre hässliche Fratze. Wieder einmal in der Geschichte wird die Chance zum Dialog von den Mächtigen der Welt vertan, um ihre Interessen zu verhandeln. Dabei zeigt uns der INF-Vertrag, dass ein mutiger Schritt hin zum Gegenüber vor dem Abgrund bewahren kann.